Funda Gül Özcan
es ist eingetreten was zu erwarten war

Installation / Auftragswerk

Daten
21.9.–14.10.2018

Ort
Ehemalige Ankara Türkü Bar
Graz

Produktionsangaben
In Auftrag gegeben und produziert von steirischer herbst

Krokodilstränen sind unverzichtbarer Bestandteil neuer autoritärer Personenkulte, die sich weltweit ausbreiten. Diktatoren weinen vor Freude oder Erleichterung und simulieren auf diese Weise menschliche Schwächen, die in der Tat einem sorgfältig erarbeiteten Drehbuch folgen. Funda Gül Özcans neue Arbeit für den steirischen herbst steigert das Bild des weinenden starken Mannes ins Absurde. Ihre holografische Intervention in der inzwischen leerstehenden Ankara Türkü Bar in Graz imaginiert einen schluchzenden Recep Tayyip Erdoğan. Diese Figur ähnelt älteren türkischen Männern, die der Künstlerin bis spät in die Nacht weinend ihre Ängste und Träume in Bars anvertrauten. In ihrer Installation entschuldigt sich der türkische Präsident für den Verrat an seinem ehemaligen Verbündeten, dem Religionsführer und Geschäftsmann Fethullah Gülen, der heute im Exil lebt. Allgemein geht man davon aus, dass Gülen und seine Bewegung maßgeblich daran beteiligt waren, Erdoğan an die Macht zu bringen. Doch das Blatt wendete sich 2016, als sie von Erdoğan beschuldigt wurden, in Regierungskorruption verstrickt zu sein und den Putschversuch organisiert zu haben, der das Regime stürzen sollte. Özcans Hologramm erinnert an den entscheidenden Augenblick jener historischen Nacht, als Erdoğan auf FaceTime (gefilmt von einem Mobiltelefon) auftrat und seine Anhänger dazu aufrief, auf die Straße zu gehen und zu verhindern, dass seine angeblichen Widersacher die Macht ergreifen. Es bezieht sich aber auch noch unmittelbarer auf den bahnbrechenden Einsatz jenes riesigen Hologramms, das Erdoğan selbst bei einer Kundgebung in Izmir im Januar 2014 verwendete. Diesem Beispiel folgten weitere Politiker*innen, darunter Jean-Luc Mélenchon in Frankreich, Jacinda Ardern in Neuseeland und Narendra Modi in Indien.

Retrospektive
Retrospektive
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