Vom Horror der Kunst I

Arbeit am Leben. Das gespenstische Soziale des Kinos


Filmvorführung

Daten
7.–13.10.2003

Details
Das Filmprogramm:
Fr 7. 11.2003
18.00
Dario Argento, Tenebrae (Italien 1982, 101 min, DF)
20.00
Mike Figgis, Hotel (GB / I 2001, 110 min, OF)
22.00
Hideo Nakata, Ringu (Ring) (Jap 1998, 96 min, Omu)
Sa 8. 11 .2003
18.00
Haskell Wexler, Medium Cool (USA 1969, 110 min, OF)
20.00
Mike Figgis, Time Code (USA 2000 , 97 min., OF)
22.00
George A. Romero, Dawn of the Dead (1978 USA / I, 140 min, OF)
So 9. 11. 2003
18.00
Lizzie Borden, Born in Flames (USA 1983, 90 min, OF)
20.00
Rainer Werner Fassbinder, Warnung vor einer heiligen Nutte (BRD 1970, 103 min, DF)
22.00
William A. Akuffo, Diabolo (GHA 1993, 90 min, OmU)
Mo 10. 11. 2003
18.00
Thomas Schamoni, Ein großer, graublauer Vogel (BRD, Italien 1970/71, 90 min, DF)
20.00
Douglas Sirk, Imitation of Life (USA 1959, 125 min, OF)
22.00
Todd Haynes, Poison (USA 1991, 85 min, OF)
Di 11. 11. 2003
18.00
Jean–Luc Godard, Rette wer kann (Das Leben) 1986 (FRA / BRD / AUT 1979, 87 min, DF)
20.00
Yoko Ono, J. Lennon, Rape (AUT 1969, 77 min, ohne Dialoge)
Jean-Luc Godard, Ici et ailleurs (FRA 1970/74, 60 min, OmU)
22.30
Alejandro Amenábar, Tesis (Spanien 1996, 119 min, DF)
Mi 12. 11. 2003
18.00
Jennie Livingstone, Paris is burning (USA, 1990, 71 min, OmU)
20.00
Abbas Kiarostami, Ta'm e guilass (Der Geschmack der Kirsche) (IRA / FRA 1996, 95 min, OmU)
22.00
Peter Bogdanovich, Targets (USA 1968, 89 min, OF)
Do 13. 11. 2003
18.00
Yvonne Rainer, Lives of Performers (USA 1972, 89 min, OF)
20.00
Helke Sander, Redupers (BRD 1977, 98 min, DFmeU)
22.00
Michael u. Roberta Findlay / Alan Schackelton, Snuff (USA / ARG 1970/76, 76 min, OF)

Ort
Filmzentrum im Rechbauerkino
Graz

Serie
Vom Horror der Kunst

In Fassbinders „Warnung vor einer heiligen Nutte“ soll ein Film über die brutale, staatlich sanktionierte Gewalt gedreht werden. Was man stattdessen sieht, ist ein Exzess sozialer Gewaltverhältnisse innerhalb der Filmcrew. Mike Figgis nimmt dieses Thema in seinen neueren Filmen wie „Time Code“ und „Hotel“ auf und verhandelt es hinsichtlich postfordistischer Arbeitsbedingungen. Der verquere Alltag einer Filmproduktionsfirma in Hollywood oder die Dreharbeiten zu einem seltsamen „Dogma-Movie“ in Venedig werden zu exemplarischen Arenen, in denen die zugespitzten sozialen Verhältnisse zwischen immateriellen Arbeitsverhältnissen und einem fatalen sozialen Imaginären modellhaft studiert werden können.

Interessant dabei ist, dass Figgis das Ausloten der digitalen Möglichkeiten des Films hinsichtlich der Aufnahmetechniken und der Bildformate in Beziehung zu den Konventionen des Genrekinos, vornehmlich Melodram und Horror, setzt. Technik und Genre konvergieren in spezifischen Authentizitätskonstruktionen mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit der Bilder zu erhöhen. Figgis benutzt diese Elemente, aber nur, um sie gegen den Strich zu bürsten. War es in den „apokalyptischen“ Splatter-Filmen der 70er-Jahre noch darum gegangen, der scheinbaren Normalität des kapitalistischen Alltags seine innere Monstrosität entgegenzuschleudern, so ist das Gespenstische heute im Alltäglichen selbst angekommen. Es kann nicht mehr darum gehen, wie gleichermaßen in Avantgarde und Genrekino, die Distanz zu den Betrachtenden emphatisch zu überwinden. Ganz im Gegenteil will gerade die gnadenlose Involviertheit des Filmemachens selbst in die Verhältnisse, die es zu beschreiben versucht, als Ausgangspunkt eines subtilen Distanzgewinns verstanden werden. Dies lässt sich wiederum mit Jacques Derridas Forderung, „mit den Gespenstern“ zu leben, in Verbindung bringen.

Das Filmprogramm versucht eine mögliche Geschichte des postrevolutionären Films aufzuzeigen, in der dieses gespenstische Soziale als Fluchtpunkt kinematischer Selbstreferenz aufscheint. Es geht vor allem um Problemstellungen, die bei Rainer Werner Fassbinder, Jean Luc Godard, Yvonne Rainer u. a. in den 70er-Jahren aufscheinen und heute neu verhandelt werden. Dabei sollen über die offensichtlichen Gegensätze hinweg auch die vielfältigen Bezüge zwischen Avantgarde, Genre und Autorenfilm sichtbar werden. Die Tagung wird sich vor allem mit jenem Grundmythos des Kinos auseinander setzen, ins Leben „einzudringen“, dieses erst eigentlich hervorzubringen oder es zu bewahren, selbst oder gerade da, wo es augenscheinlich und drastisch zu Ende gebracht wird, wie etwa im Splatter-Film. Anstatt diese Mythen fortzuschreiben soll es darum gehen, das Lebendige und Authentische des Kinos als biopolitisches Konstrukt zu thematisieren und daran kulturelle und politische Strategien eines „Distanzgewinns“ festzumachen.

Kuratorin / Kurator: Helmut Draxler

Retrospektive
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