Serie: Steirische Akademie

1960–95 (1967–95 Teil des steirischen herbst)

Beinahe dreißig Jahre lang, von 1967 bis 1995, bereicherte die Steirische Akademie den steirischen herbst mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen. Vom Kulturpolitiker Hanns Koren 1960 ins Leben gerufen, war sie lange Zeit die zentrale diskursive Veranstaltung des Festivals. Mithilfe wissenschaftlicher Methoden verfolgte die Steirische Akademie das Ziel der spezifisch steirischen Identitätsstiftung, welche Korens Kulturpolitik der Nachkriegszeit maßgeblich bestimmte. 1963 wurde die trigon-Biennale unter demselben Vorsatz ins Leben gerufen.

Im prunkvollen Schloss Eggenberg angesiedelt, schien die Akademie zu Beginn weniger ein Instrument der Volksbildung als ein Expertengespräch im gesonderten Rahmen zu sein. Erst mit Übernahme durch Kurt Jungwirth als Landesrat für Kultur 1971 änderte sich die Ausrichtung. Mit dem Umzug in die Universität öffnete sich die Steirische Akademie dem studentischen Publikum, ganz wie es 1968 im Zuge kleinerer Proteste während des ersten steirischen herbst gefordert worden war. Die Studierenden nahmen das Vortragsangebot der Akademie bereitwillig an ‒ in manchen Jahren waren die Hörsäle zum Bersten voll.

In den Siebzigerjahren befand sich die Steirische Akademie in einer regelrechten Aufbruchstimmung und widmete sich in zahlreichen Workshops, Ausstellungen, Film- und Theatervorführungen dem Verhältnis von Mensch, Gesellschaft, Technik und Umwelt. In Referaten und Arbeitskreisen versuchte man, die Besucher:innen aktiv miteinzubeziehen, um gemeinsam über alternative Gesellschaftsmodelle und Lebensweisen nachzudenken. Zweifellos markieren diese Jahre mit Blick auf die Wahl der Themen und der Referent:innen den Höhepunkt der Steirischen Akademie. So kamen unter anderem Lucius Burkhardt (1973), Ivan Illich (1976, 1977), Friedrich Cramer (1978), Louis le Roy (1978) und Yona Friedman (1978, 1980) nach Graz.

In den Neunzigerjahren nahm das Festival vermehrt Symposien von unabhängigen Kurator:innen ins Programm auf, wodurch die Steirische Akademie an Relevanz verlor. Sie sollte aber nicht nur als eine der maßgeblichen Initiativen Hanns Korens in Erinnerung bleiben, der auch in den eigenen Reihen als Kulturpolitiker umstritten war. Als erste Veranstaltung, deren Fokus nicht auf einer vordergründig künstlerischen Auseinandersetzung mit Themen lag, brachte sie Wissenschaft und Theorie in den steirischen herbst ein. In Form von Symposien und Vorträgen blieb der Diskurs dem Festival stets erhalten und macht bis heute einen bedeutenden Teil des Programms aus. Schon früh offenbarte sich somit der interdisziplinäre Charakter des steirischen herbst.


Weiterführende Literatur

Anja Quickert, „Die Wahrheit ist immer konkret. Diskurs und Partizipation beim steirischen herbst“, in herbstbuch. 1968–2017, hg. Martin Behr et al. (Wien: Styria, 2017), S. 344‒54.

Alfred Ableitinger und Dieter A. Binder (Hrsg.), Steiermark. Die Überwindung der Peripherie (Wien: Böhlau, 2002).

Retrospektive
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