Vom Horror der Kunst II

Arbeit am Leben. Das gespenstische Soziale des Kinos


Convention

Dates
7.–9.11.2003

Location
Rauchsalon Schauspielhaus
Graz

Part of
Vom Horror der Kunst

In Fassbinders „Warnung vor einer heiligen Nutte“ soll ein Film über die brutale, staatlich sanktionierte Gewalt gedreht werden. Was man stattdessen sieht, ist ein Exzess sozialer Gewaltverhältnisse innerhalb der Filmcrew. Mike Figgis nimmt dieses Thema in seinen neueren Filmen wie „Time Code“ und „Hotel“ auf und verhandelt es hinsichtlich postfordistischer Arbeitsbedingungen. Der verquere Alltag einer Filmproduktionsfirma in Hollywood oder die Dreharbeiten zu einem seltsamen „Dogma-Movie“ in Venedig werden zu exemplarischen Arenen, in denen die zugespitzten sozialen Verhältnisse zwischen immateriellen Arbeitsverhältnissen und einem fatalen sozialen Imaginären modellhaft studiert werden können.

Interessant dabei ist, dass Figgis das Ausloten der digitalen Möglichkeiten des Films hinsichtlich der Aufnahmetechniken und der Bildformate in Beziehung zu den Konventionen des Genrekinos, vornehmlich Melodram und Horror, setzt. Technik und Genre konvergieren in spezifischen Authentizitätskonstruktionen mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit der Bilder zu erhöhen. Figgis benutzt diese Elemente, aber nur, um sie gegen den Strich zu bürsten. War es in den „apokalyptischen“ Splatter-Filmen der 70er-Jahre noch darum gegangen, der scheinbaren Normalität des kapitalistischen Alltags seine innere Monstrosität entgegenzuschleudern, so ist das Gespenstische heute im Alltäglichen selbst angekommen. Es kann nicht mehr darum gehen, wie gleichermaßen in Avantgarde und Genrekino, die Distanz zu den Betrachtenden emphatisch zu überwinden. Ganz im Gegenteil will gerade die gnadenlose Involviertheit des Filmemachens selbst in die Verhältnisse, die es zu beschreiben versucht, als Ausgangspunkt eines subtilen Distanzgewinns verstanden werden. Dies lässt sich wiederum mit Jacques Derridas Forderung, „mit den Gespenstern“ zu leben, in Verbindung bringen.

Das Filmprogramm versucht eine mögliche Geschichte des postrevolutionären Films aufzuzeigen, in der dieses gespenstische Soziale als Fluchtpunkt kinematischer Selbstreferenz aufscheint. Es geht vor allem um Problemstellungen, die bei Rainer Werner Fassbinder, Jean Luc Godard, Yvonne Rainer u. a. in den 70er-Jahren aufscheinen und heute neu verhandelt werden. Dabei sollen über die offensichtlichen Gegensätze hinweg auch die vielfältigen Bezüge zwischen Avantgarde, Genre und Autorenfilm sichtbar werden. Die Tagung wird sich vor allem mit jenem Grundmythos des Kinos auseinander setzen, ins Leben „einzudringen“, dieses erst eigentlich hervorzubringen oder es zu bewahren, selbst oder gerade da, wo es augenscheinlich und drastisch zu Ende gebracht wird, wie etwa im Splatter-Film. Anstatt diese Mythen fortzuschreiben soll es darum gehen, das Lebendige und Authentische des Kinos als biopolitisches Konstrukt zu thematisieren und daran kulturelle und politische Strategien eines „Distanzgewinns“ festzumachen.

Kuratorin / Kurator: Helmut Draxler
Mitwirkende / Mitwirkender: Sabeth Buchmann
Mitwirkende / Mitwirkender: Diedrich Diederichsen
Mitwirkende / Mitwirkender: Hito Steyerl
Mitwirkende / Mitwirkender: Drehli Robnik
Mitwirkende / Mitwirkender: Stephan Gregory
Mitwirkende / Mitwirkender: Tanja Widmann
Mitwirkende / Mitwirkender: Stefan Höltgen
Mitwirkende / Mitwirkender: Dietmar Dath
Mitwirkende / Mitwirkender: Toshiya Ueno
Mitwirkende / Mitwirkender: Elisabeth Büttner
Mitwirkende / Mitwirkender: Marina Grzinic

Retrospective
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