Salvatore Sciarrino
Macbeth

Drei namenlose Akte (nach Shakespeare) von Salvatore Sciarrino


Music Theater / Opera / Austrian premiere

Dates
7.–9.11.2002

Details
Premiere:
7.11.2002
Wiederholungen:
8.11.2002
9.11.2002
Nachrede:
8.11.2002

Location
Schauspielhaus Graz
Graz

Production specifics
ÖE

Koproduktion Schwetzinger Festspiele, Oper Frankfurt, Musica per Roma

Was will das heißen: drei namenlose Akte? Es sind ruchlose Freveltaten, gewalttätige Morde, die weder Sprache noch Herz zu beschreiben wagen. Man muss ihnen ein stilles Gedenken bewahren: der alte Geruch nach Blut liegt ständig auf der Lauer. „Es erheben sich Seufzer und Schreie, die niemand mehr hört. Auch der wildeste Schmerz scheint ein gewöhnliches Gefühl zu sein“, so schrieb Shakespeare. Bildet sich jemand ein, dass unsere Zeiten besser sind? Das Tragische, das viel zu oft zurückgestoßen wird, ist heute unerlässlich, um uns aus unserer Indifferenz aufzurütteln. Das Entsetzen mischt sich fortwährend in unseren Alltag, und damit das Gift nicht in uns bleibt, muss unser soziales Gewissen wieder erweckt werden. Das Theater kann hier zur Verpflichtung werden. Seine Magie macht aus dem Publikum eine einzige Person. Nichts erbaut und erweckt so wie ein Theater des Neuen. Der erste Kern dieses Werks datiert bis ins Jahr 1976 zurück, als die Atmosphäre in der zeitgenössischen Musik von dogmatischen Ansichten vergiftet wurde; zu ihnen gehörte die Weigerung, die eigenen Wurzeln anzuerkennen, das eigene Gesicht. Der Vergleich mit den großen Themen und den Meisterwerken unserer Tradition erschien den meisten als ein elender Betrug. Künstlerische Tradition und Kultur bedeuten aber nicht, dass man sich zurückwendet, sondern dass man mit einer stetig erneuerten Perspektive lebt. Jetzt sind einige Tabus gefallen und die Situation hat sich sehr verändert. Das bedeutet für einen Komponisten die Verpflichtung, die entgegengesetzten Dogmen zu bekämpfen: die Verunreinigung und die Erreichbarkeit bis zum Äußersten, die unsere Zeit aufreiben. Dieser Macbeth ist eine Bearbeitung, die aus Shakespeares Tragödie destilliert wurde. Die Szenen entsprechen und widersprechen sich auf mehreren Ebenen; Personen existieren nicht, sondern ein immer wiederkehrender Strom von Ereignissen, in dem sich nur Namen verändern. Duncan, Macbeth, Macduff sind die Glieder einer unendlichen Kette. Wir wissen nicht, wie Duncan geherrscht hätte oder Macduff regieren wird. Wir dringen stattdessen in die Seele von Macbeth ein. Macbeth, der blutrünstige König, und seine von ihm untrennbare Königin wirken wie ein einziges Wesen, dessen Schwäche und dessen Mut wir deutlich erkennen können. Wir wissen nicht, wann ihr erstarrter Geist endgültig zerbricht. Vielleicht sind sie schon von Anfang an verrückt, vielleicht ist der Schwachsinn auch ihre Rettung. Das Schuldbewusstsein, das sie schließlich zerdrückt, rückt sie näher an uns stumme Zuschauer. In diesem Werk geht es nicht um einige bestimmte Tote oder um einige bestimmte Massaker, sondern um alle Toten, um alle Massaker, auf die sich die Menschheit gründet. Der Mechanismus der Macht als solcher zerstört, wenn er zur Besessenheit wird, immer menschliches Leben.

Salvatore Sciarrino

Komponistin / Komponist: Salvatore Sciarrino
Musikalische Leitung: Sylvain Cambreling
Regie: Achim Freyer
Bühnenbild, Ausstattung, Raumgestaltung: Achim Freyer
Kostüme: Amanda Freyer
Lichtregie: Gerd Budschigk
Sängerin / Sänger: Annette Stricker
Sängerin / Sänger: Sonja Turchetta
Sängerin / Sänger: Otto Katzameier
Sängerin / Sänger: Thomas Mehnert
Sängerin / Sänger: Richard Zook
Sängerin / Sänger: Gabriele Hierdeis
Sängerin / Sänger: Barbara Ochs
Sängerin / Sänger: Vanessa Barkowski
Sängerin / Sänger: Christoph Hierdeis
Sängerin / Sänger: Johannes Schendel
Sängerin / Sänger: Helmut Seidenbusch
Ensemble / Gruppe / Band: Klangforum Wien

Retrospective
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