trigon
1963–95 (1967–95 Teil des steirischen herbst)

Besonders prägend für die Anfangsjahre des steirischen herbst war der sogenannte trigon-Gedanke. Dieser kontextualisierte die künstlerischen Entwicklungen Jugoslawiens, Italiens und Österreichs in einem gemeinsamen Kulturraum, dessen ideologische Basis das historische Innerösterreich war, welches zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert die Gebiete Steiermark, Kärnten, Krain, Istrien und Triest umfasste. Der zweifelhafte Anspruch, diese Einheit wiederzubeleben, war bezeichnend für die Steiermark in der Nachkriegszeit. Anstatt die eigene Geschichte im Nationalsozialismus aufzuarbeiten, zog man es vor, die Vergangenheit zu mythologisieren, und nutzte Wissenschaft und Kunst zur Identitätsstiftung.

Der trigon-Gedanke ging vom konservativen Kulturpolitiker Hanns Koren aus und stellte die politische und historische Legitimation einer Vielzahl seiner Initiativen dar, die auch in den eigenen politischen Reihen für Kontroversen sorgten – etwa nach der Aufführung von Wolfgang Bauers Stück Die Gespenster (1975) und den darauffolgenden Rufen nach der Abschaffung des Festivals, denen sich Koren erfolgreich entgegensetzte. Die Steirische Akademie, die Internationalen Malerwochen sowie die erste Ausgabe des musikprotokoll standen im Zeichen von Korens Gedanken. Am deutlichsten manifestierte er sich jedoch in der gleichnamigen Biennale für zeitgenössische Kunst, die den steirischen herbst zwischen 1967 und 1992 begleitete.

Die Dreiländer-Biennale trigon startete 1963 als künstlerische Erweiterung der Steirischen Akademie und griff Korens lang gehegten Wunsch nach einer „Steirischen Biennale“ auf. Ab 1979 waren auch Künstler:innen aus anderen Ländern als Italien, Jugoslawien und Österreich vertreten; die Biennale wurde zur Bühne für internationale künstlerische Bestrebungen, mit einem klaren Schwerpunkt auf europäischen Positionen.

Von seiner Konzeption her war trigon an Veranstaltungen wie der documenta in Kassel und der Biennale in Venedig angelehnt, was sich etwa anhand der Bestellung der Länderkommissare zeigt. Über Jahre hinweg entschied Umbro Apollonio, Konservator am Historischen Archiv der Biennale di Venezia, über die Bestellung der italienischen Künstler:innen, danach war es der Kunsthistoriker und Biennale-Kurator Achille Bonito Oliva. Für Jugoslawien übernahm ähnlich lange Zoran Kržišnik diese Aufgabe.

Somit wirkte trigon wie ein Festival innerhalb des Festivals, das mit aufwendig gestalteten Katalogen und begleitenden Symposien eigene Akzente setzte. Noch bevor der steirische herbst offizielle Leitmotive hatte, fand jede Ausgabe von trigon unter einem eigens gewählten Thema statt, welches oft für Unstimmigkeiten unter den Länderkommissär:innen sorgte.

Das beste Beispiel hierfür war die trigon-Biennale 1979, die unter dem Titel „Maskulin – Feminin“ nach vermeintlichen Geschlechterunterschieden in der künstlerischen Produktion suchte – und dabei scheiterte. Ein positiver Aspekt dieser Ausgabe war jedoch, dass erstmals – und letztmals – mehr weibliche als männliche Künstler:innen vertreten waren, darunter Marina Abramović, Ulrike Ottinger und die britische Performancekünstlerin Cosey Fanni Tutti.

Der Wandel hin zum interdisziplinären Festival hing zweifellos mit einer Personalie zusammen: Wilfried Skreiner, ab 1966 Direktor der Neuen Galerie Graz, hatte die Leitung von trigon 1967 übernommen und organisierte die Biennale bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1992. Wie sehr sie an seiner Person hing, zeigt sich daran, dass sie danach nur noch zweimal stattfand.

Die ersten Ausgaben unter Skreiner hatten Vorreiterfunktion. trigon 67 schuf mit der Ausstellungsarchitektur der beiden Grazer Architekten Günther Domenig und Eilfried Huth ein Gesamtkunstwerk, das seitens der Stadtpolitik auf heftige Reaktionen stieß. Der Ansatz, Architektur als gesellschaftsveränderndes Moment zu begreifen, fand sich vor allem in der Ausgabe von 1969, die mit Entwürfen der italienischen Architekten von Superstudio, der österreichischen Architekt:innen Coop Himmelb(l)au und Angela Hareiter und konzeptuellen Arbeiten von Hans Hollein klar der utopischen Architektur der späten Sechzigerjahre verschrieben war. 1973 widmete sich trigon der in Europa jungen Videokunst und stellte Arbeiten VALIE EXPORTs und Peter Weibels amerikanische Positionen gegenüber, etwa von Vito Acconci, John Baldessari, Trisha Brown, Nam June Paik, Bruce Nauman und Richard Serra.

1993 und 1995 organisierte Skreiners Nachfolger Peter Weibel zwei weitere trigon-Ausstellungen, die jedoch wenig mit dem ursprünglichen Format zu tun hatten. Der interdisziplinäre Charakter der Biennale hatte sich längst als Eigenschaft des steirischen herbst etabliert, womit die Biennale an Relevanz verloren hatte. Die politischen Umwälzungen nach dem Zerfall Jugoslawiens trugen das ihre dazu bei, dass trigon als Format und Reihe innerhalb des steirischen herbst nicht fortgeführt wurde.

Retrospektive
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