Serie: Literatursymposion

1969–95

Zu Beginn setzte der steirische herbst einen klaren Schwerpunkt auf diskursive Veranstaltungen in Form von Symposien, die das künstlerische Programm um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung erweiterten. Exemplarisch hierfür ist das Literatursymposion, eine der ersten Veranstaltungsreihen, die das Festival zwischen 1969 und 1995 begleitete.

Mit dem Literatursymposion ging das „Genre“ der Literatur in den steirischen herbst ein, zudem bot es den aufstrebenden Autor:innen um das Forum Stadtpark eine wichtige Bühne. Dieses hatte mit Alfred Kolleritschs Literaturreferat und der Grazer Gruppe1 von Beginn an ein klares Augenmerk auf Literatur. Das Symposion ist somit eng mit der Geschichte des Forum Stadtpark und seiner Literaturzeitschrift manuskripte verwoben. Bedeutend war es zudem für das Selbstverständnis der österreichischen Gegenwartsliteratur, da in seinem Rahmen 1973 die Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) gegründet wurde. Die GAV verstand sich als Gegenpol zum konservativen P.E.N. Club.

Als das Symposion 1969 ins Programm des steirischen herbst aufgenommen wurde, war es eine Veranstaltung des ORF-Landesstudio Steiermark. Zu dieser Zeit konzentrierte sich das Programm auf die Sprach- und Literaturwissenschaften, und man lud internationale Theoretiker:innen nach Graz ein. Ab 1974 wurde es dann vom ORF-Landesstudio gemeinsam mit dem Forum Stadtpark organisiert, ab 1977 schließlich war Letzteres allein für die Konzeption verantwortlich. Ab diesem Zeitpunkt thematisierten die Symposien verstärkt die Rolle der österreichischen und spezifisch Grazer Autor:innen.

Mit dem Beginn von Peter Vujicas Intendanz im Jahr 1983 setzte das Literatursymposion stärker auf kritische Theorie und philosophische Diskurse, bevor in den Neunzigern unabhängige Kurator:innen die Konzeption der verschiedenen Festivalsymposien übernahmen und etablierte Formate wie das Literatursymposion allmählich an Bedeutung verloren. Nach 1995 verschwand es aus dem Programm, vermutlich aufgrund der Neustrukturierung des Forum Stadtpark.

Allerdings behielt der steirische herbst auch in den folgenden Jahren zahlreiche literarische Formate und Veranstaltungen im Programm. 2020 initiierten das Literaturhaus Graz und der steirische herbst gemeinsam das zunächst auf drei Jahre angelegte Literaturfestival Out of Joint, das sich im Geiste des Literatursymposions dem Diskurs um eine Gegenwartsliteratur im Ausnahmezustand widmet und dabei etwa nach dem Einfluss der Literatur auf die Politik fragt.


Weiterführende Literatur

Friederike Gösweiner, „Revolte und Auf-Bruch. 50 Jahre Literaturprogramm im steirischen herbst“, in herbstbuch. 1968–2017, hg. Martin Behr et al. (Wien: Styria, 2017), S. 128–33.


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Folgende Autor:innen zählt Friederike Gösweiner zur Grazer Gruppe: Wolfgang Bauer, Gunter Falk, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Klaus Hoffer, Alfred Kolleritsch.

Retrospektive
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