1968

steirischer herbst ’68

Intendanz
Gründungskomitee

Festivaldaten
23.9.–18.10.1968

„In den Herbstveranstaltungen der kommenden Jahre wird mehr als bisher und auch mehr als in diesem Jahr das Theater, die Oper und das Orchester seinen Beitrag leisten, aber es wird nicht nur eine Festspielzeit des Theaters und des Orchesters sein, sondern ebenso wesentlich und dazugehörig zum Grundkonzept des STEIRISCHEN HERBSTES werden weiterhin die Beiträge und Seminare der Steirischen Akademie bleiben und ebenso den STEIRISCHEN HERBST konstituierend werden die Erlebnismöglichkeiten der bildenden Künste in Darstellung und Diskussion, von den Institutionen des Landes und der Stadt und freier Vereinigungen getragen, dazugehören. Noch sieht es so aus, wenn das Programm des diesjährigen STEIRISCHEN HERBSTES als Ausgangspunkt der Überlegung genommen wird, als handle es sich um eine bloße Aneinanderreihung künstlerischer und wissenschaftlicher Unternehmungen und Veranstaltungen, aber es ist der feste Wille und der eigentlich sinngebende Auftrag, dieses Additive des Programmes zu überwinden und die Beiträge der Wissenschaft, der Vereinigten Bühnen, des Rundfunks, der Kulturreferate und freien Institutionen im STEIRISCHEN HERBST jeweils unter einem bestimmten Grundthema, nicht in einem die schöpferische und initiative Gestaltung hemmenden Exklusivrahmen, sondern vielmehr in einem höheren, freien und innerlichen Einverständnis zu vereinigen.“
„Der Künstler ist nicht mehr der im Personalstand der Domestiken geführte Artist der Herren und Prälaten, für deren Herrlichkeit und Repräsentanz er seine Werke zu schaffen hat, er ist nicht mehr der Dekorateur einer bürgerlichen Welt, deren sentimentale Gefühle, deren heroische Erbauungen und deren sinnliche Empfindungen er zu illustrieren hat, sondern er ist heute der Mitwissende, der Mitleidende und der Mitschuldige geworden an dieser Zeit, an ihren Zuständen, und seine Werke sind die Urkunden, mit denen er diese Zugehörigkeit ausweist und mit denen er sich auch verpflichtet, einen neuen Weg in eine neue Welt zu suchen.“
—Eröffnungsrede von Hanns Koren

Am 23. September 1968 fand die Eröffnung des ersten steirischen herbst im Rittersaal des Grazer Landhauses, dem bedeutendsten Renaissance-Gebäude in Österreich, unter der Schirmherrschaft von Landeshauptmann Josef Krainer senior statt. Festredner war Hanns Koren, der die Programmatik des Festivals vorstellte und seine Neuartigkeit im Vergleich zu anderen Festwochen durch das interdisziplinäre Zusammenspiel von Theater, Oper und Orchestermusik mit Beiträgen und Seminaren der Steirischen Akademie und den „Erlebnismöglichkeiten der bildenden Künste in Darstellung und Diskussion“ betonte.

Dem Festakt folgten die offizielle Eröffnung der III. Internationalen Malerwochen in der Neuen Galerie und ein Konzert (von insgesamt zehn) des musikprotokolls mit Werken von György Ligeti, Ernst Krenek, Erich Marckhl und Luigi Dallapiccola. Beide, Malerwochen und musikprotokoll, konzentrierten sich auf Künstler (hier muss nicht gegendert werden, denn es waren ausschließlich Männer) aus den trigon-Ländern Italien, Jugoslawien und Österreich. Mit 22 Stunden Neuer Musik und Werken von 35 Komponisten wurde das Grazer Publikum an die Vor-Avantgarde und Neue Musik herangeführt – von der Presse wurde der Auftakt insgesamt wohlwollend aufgenommen.

Einen starken Auftritt auf dem herbst ’68 hatte Peter Handke: Sein Stück Kaspar wurde sowohl in einer Hörspielfassung von Rudolf Kautek als auch in einer Inszenierung von Gerald Szyszkowitz im Grazer Schauspielhaus vorgestellt, zusätzlich gab es eine Handke-Lesung im Forum Stadtpark. Ein weiterer „kleiner Schwerpunkt“ im Forum Stadtpark war neben Lesungen und Diskussionen zeitgenössischer Lyrik das Kabarett-Programm mit noch heute bekannten Satirikern wie Wolf Rahtjen, Hanns Dieter Hüsch, Dieter Hallervorden und F. J. Bogner.

Die 9. Steirische Akademie stand unter dem Motto „Das Humane und die Manipulation des Menschen“, und auf Schloss Eggenberg fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Biennale, documenta und die Situation der Kunst unserer Zeit“ statt, wobei die Podiumsdiskussion, die den Vorträgen von Umbro Apollonio, Gillo Dorfles, Dietrich Mahlow und Wilfried Skreiner folgte, nach kritischen Einwürfen von Studierenden aus dem Ruder geriet und eher den Eindruck eines „Unbehagens in der Kunst“ (so eine der Schlagzeilen) zurückließ.

Programm

Konzert

Theater

Literatur

bildende kunst

Festivaleröffnung

23.9., 11:00
Neue Galerie
Eröffnung der Ausstellung: Werke der III. Internationalen Malerwochen auf Schloß Retzhof bei Leibnitz

7.10., 10:00
Schloss Eggenberg
Eröffnung 9. steirische akademie Landeshauptmann Senator Josef Krainer, Landeshauptmannstellvertreter Univ.-Prof. Dr. Hanns Koren

Veranstaltungsorte

Barmherzigenkirche

Forum Stadtpark

Galerie Eder, Köflach

Joanneum Ecksaal

Kammermusiksaal (Grazer Kongress)

Landhaushof

Neue Galerie Graz

Oper Graz

Palais Attems

Pfarrsaal Köflach

Probebühne (Schauspielhaus)

Schauspielhaus Graz

Schloss Eggenberg

Stefaniensaal (Grazer Kongress)

Weißer Saal der Burg

Publikationen

Programmbuch des steirischen herbst 1968: Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung, ’68 steirischer herbst (Graz: Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung, 1968)

Kulturreferat der Steiermärkischen Landesregierung, Das Humane und die Manipulation des Menschen (Graz: 1968)

Harald Kaufmann, Symposium für Musikkritik (Studien zur Wertungsforschung 1) (Graz-Wien: Universal Edition, 1968)

Neue Galerie am Landesmuseum Joanneum, Werke der dritten internationalen Malerwochen auf Schloß Retzhof bei Leibnitz (Graz: 1968)

Retrospektive
Retrospektive
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